Rhabarber – Rheum rhabarbarum

Gebräuchliche Namen: Rhabarber, Garten-Rhabarber, Welliger Rhabarber, Apothekerrhabarber, Chinesischer Rhabarber, Rheum rhabarbarum, Rheum, rhubarb (englisch), rhubarbe (französisch), ruibarbo (spanisch), Tai Huang, Da Huang, Radix et Rhizoma Rhei, rewandchini, rabarbara
Lateinischer Name: Rheum rhabarbarum
Herkunft: Asien, Australien, Europa, Südamerika, Nordamerika
Kurzvorstellung
Rhabarber bevorzugt sonnige Standorte und zeigt in kühleren Klimazonen (Großbritannien, Irland, Russland) ein schwächeres Wachstum. Die Pflanze wächst weltweit und kann dank Gewächshäusern das ganze Jahr über geerntet werden – aus dem Gewächshaus ist sie saftiger und süßer als im Freiland. Im Freien ist Rhabarber eine der ersten Pflanzen, die in gemäßigten Gebieten der nördlichen Hemisphäre bereits ab Ende April/Mai geerntet werden kann, auf der Südhalbkugel zwischen Oktober und November. Im Nordwesten der USA wird Rhabarber zweimal jährlich geerntet: einmal zum Frühlingsbeginn (April/Mai) und dann nochmals zwischen Juni und Juli.
Ausführliche Beschreibung
Der zauberhafte Küchenhelfer, der auch Bestandteil der berühmten Schwedentropfen ist!
Botanische Informationen
Rhabarber ist eine stattliche, ausdauernde Pflanze, die eine Höhe von bis zu 3 Metern erreichen kann. Der Stängel ist grün, hohl, bis zu 6 cm dick, kahl und trägt die Blütenstände. Die grundständigen Blätter sind bis zu 60 cm lang, hellgrün, rundlich, länglich oder eiförmig mit gezähntem Stiel auf der Oberseite und glattem Stiel auf der Unterseite, der weißlich, grün oder rötlich gefärbt sein kann. Das rispige Blütenstand ist etwa 15–35 cm lang und endet terminal. Die Blüten sind zwittrig, gelb, mit einem 2 mm langen, sechsblättrigen, abfallenden Perigon, das typischerweise zwischen Juni und Juli erscheint. Die Frucht ist eine eiförmige, bis zu 8 mm lange, geflügelte Nuss (Achäne).
Herkunft und Verbreitung
Ursprünglich stammt der Rhabarber vermutlich aus Zentral- oder Ostasien – Regionen wie die Mongolei, Ostsibirien und einzelne chinesische Provinzen. Die Pflanze gedeiht gut in ruhigem Klima oder in Gebirgsregionen, zum Beispiel in Syrien oder der Türkei. In Europa ist sie vom äußersten Osten Russlands bis zum westlichsten Teil Europas verbreitet. Von dort aus gelangte Rhabarber weiter nach Nordamerika (USA, Kanada), später vor allem nach Bolivien und Neuseeland. In Deutschland wächst Rhabarber häufig in Gärten und vereinzelt auch wild in der freien Natur.
Verwendung / Dosierung
In China ist Rhabarber fester Bestandteil der traditionellen Medizin seit Jahrtausenden und wird auch in klassischen medizinischen Schriften erwähnt. Obwohl bereits der berühmte Dioskurides wahrscheinlich auf Rhabarber und seine Anwendung hinwies, ist die eindeutige Zuordnung erst ab dem 14. Jahrhundert durch den Handel mit muslimischen Häfen wie Aleppo und Smyrna gesichert. Der Import nach Europa erfolgte so über die Seidenstraße und die Türkei, parallel dazu etablierte sich später eine Route über das Russische Imperium. Der Transport dieser wertvollen Ware reihte Rhabarber neben Zimt, Opium und Safran in die Riege der kostbaren und exotischen Gewürze ein. Die hohe Nachfrage führte dazu, dass auch der Anbau auf europäischen Böden aufgenommen wurde, insbesondere über Russland. So verbreitete sich der Rhabarber auf dem gesamten europäischen Kontinent und gelangte weiter nach Nordamerika.
Vom Rhabarber werden vor allem die fleischigen Blattstiele genutzt, welche gekocht oder gedünstet wegen ihres angenehm säuerlichen Geschmacks sehr beliebt sind – rohe Stiele werden jedoch nicht empfohlen. Die Stiele werden in kleine Stücke geschnitten, gedünstet oder in Wasser mit Zucker weichgekocht und kalt gegessen. Gemischt mit Mehl werden sie für Rhabarberkuchen verwendet, häufig in Quarkgebäck oder Fruchtknödeln verarbeitet, für Kompott, Marmeladen, Kuchen und sogar Suppen. Beim Kochen und Dünsten von Rhabarber sollte kein Aluminiumgeschirr verwendet werden, da die enthaltene Oxalsäure das Aluminium lösen kann.
Die Blätter enthalten in unterschiedlichem Ausmaß Anthrachinon-Derivate wie Rhein und Emodin, denen ein leichter abführender und reinigender Effekt zugeschrieben wird und die daher bei leichter Verstopfung Anwendung finden. Rhabarber wird traditionell bei Verdauungsbeschwerden verwendet und begegnet uns immer wieder auch in ärztlichen Fallbeschreibungen. Klinische und vorklinische Studien stützen sich häufig auf die positiven Effekte der Inhaltsstoffe zur möglichen Behandlung verschiedener Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts – auch bei chronischer oder akuter Obstipation. In einer kleineren Untersuchung konnten bei dreimonatiger Therapie mit einer Kombination aus Rhabarber und zehn weiteren Heilpflanzen die Nierenfunktionen bei Patienten mit Glomerulonephritis verbessert werden.
Das in allen Pflanzenteilen enthaltene Rhaponticin zeigte in in vivo Studien einen antihyperglykämischen Effekt bei diabetischen Tieren. Eine klinische Arbeit berichtet von einer interessanten Wirkung der Rhabarber-Inhaltsstoffe auf die Reduktion von Gesamtcholesterin und LDL-Cholesterin im Plasma bei Patienten mit Hypercholesterinämie. Eine kleinere klinische Studie beschrieb eine milde Wirkung auf die Gewichtsabnahme bei adipösen Patienten, die regelmäßig Kräuter-Mischungen mit Rhabarber und dazu Bewegung und Anpassungen im Lebensstil durchführten.
In verschiedenen Pflanzenteilen wurde das Pigment Parietin nachgewiesen, das einen unterdrückenden in vitro Effekt auf das Wachstum menschlicher Leukämiezellen zeigte – innerhalb von zwei Tagen konnte das Zellwachstum um etwa 50 % vermindert werden. Nach 11 Tagen konnte dieselbe Substanz in vivo rund zwei Drittel der Zellen einer bestimmten Lungenkrebsart zerstören. Die exakten pharmakologischen Mechanismen von Parietin werden aktuell noch beforscht.
Emodin, gewonnen aus Rhabarber, konnte in vitro die Produktion von Stickstoffmonoxid, Interleukin 6 und Interleukin 1-Beta ohne beobachtete Toxizität oder Gewebeschädigung hemmen. Diese entzündungshemmende Wirkung ist Gegenstand zahlreicher Studien und führt zur Unterdrückung auch der für deren Synthese verantwortlichen Gene und Signalwege.
Verschiedene Berichte beschreiben mögliche Anwendungen von Rhabarber in Einzel- oder Kombinationspräparaten zur Behandlung von Mundgeschwüren, gegen Herpes und eventuell auch bei Magenblutungen. Eine kleine klinische Studie beschrieb einen günstigen Einfluss von Rhabarber allein oder in Kombination mit Captopril (einem blutdrucksenkenden Medikament) bei Leberfunktionsstörungen und empfiehlt ihn zur ergänzenden Behandlung oder Prävention von Niereninsuffizienz.
Volksmedizinische Anwendung
Sowohl in der arabischen als auch in der europäischen Volksmedizin wird Rhabarber regelmäßig bei verschiedenen Formen von Verstopfung, Nasopharynxinfektionen und zur Linderung der Symptome bei Gonorrhö empfohlen. In der Traditionellen Chinesischen Medizin findet eine Kombination mit Rhabarber vor allem bei Leberfunktionsstörungen bei Nichtalkoholikern Anwendung. Traditionell findet sich auch die Anwendung bei erhöhtem Blutdruck während der Geburt sowie zur Senkung des Risikos schwerer Komplikationen bei unbehandelter Sepsis. Gelegentlich wurde Rhabarber nach Operationen gegeben, wo eine beschleunigte Genesung und Verbesserung bestimmter Funktionen und Heilungsprozesse beobachtet werden konnte.
Inhaltsstoffe
Rhabarber enthält zahlreiche relevante Wirkstoffe, zu denen hauptsächlich Anthrachinone wie Rhein, Emodin und deren Derivate (z. B. das Glykosid Glucorhein), das Farbstoffparietin sowie stilbenoide Rhaponticin und Flavanol-Glykoside (wie Catechin-O-Glykoside), Chinone, ungesättigte Alkohole, Aldehyde, Methylbutanol, Butanol, Hexansäure, Oxalsäure und weitere gehören. Diese Substanzen sind für die leicht abführende und reinigende Wirkung bekannt und daher ein traditioneller Bestandteil von Therapien gegen Verstopfung.
Traditionelle Dosierung
Je nach therapeutischer Zielstellung wurde Rhabarber typischerweise in einer Dosis von 23 mg/g Extrakt 2–4 Mal täglich etwa 14 Tage lang zur Linderung von Mundgeschwüren und Herpes verabreicht. Während des Ersten Weltkriegs kam es in Großbritannien zu mehreren Fällen von „Vergiftungen“ (Erbrechen, Durchfälle), weil Rhabarber irrtümlich als gewöhnliches Gemüse oder Obst empfohlen und gegessen wurde – was gelegentlich zu einem Überschuss an Oxalsäure und damit zu toxischen Reaktionen führte. Heute wird eine maximale toxische Oxalsäure-Menge von 375 mg/kg bei Tieren bzw. 25 Gramm bei einem Menschen mit 65 kg Körpergewicht beschrieben – eine Menge, die unter normalen Ernährungsgewohnheiten mit Rhabarber kaum erreicht wird. Dennoch wird empfohlen, Rhabarber maßvoll zu genießen.