Große Brennnessel – Urtica dioica

Große Brennnessel – Urtica dioica

Gebräuchliche Namen: Große Brennnessel, Brennnessel, Stinkbrennessel, Urtica, Urtica dioica, Stinging Nettle, Common Nettle, Nettle, Ortie (französisch), Grande Ortie, Graine d'Ortie, Ortie dioique, Ortie des jardins, Ortie brulante, Nettle Leaf, Nettle Worth, Urtica urens, Urticae Herba et Folium, Urticae Radix, Big Sting Nettle, Devils Leaf, Grote Brandnetel (niederländisch), Kazink, Nabat Al Nar, Urtiga, Isirgan, Bichu, Chichicaste, Feuille d'Ortie, Gerrais

Lateinischer Name: Urtica dioica (syn. Urtica major)

Herkunft: Afrika, Asien, Europa, Südamerika, Nordamerika

Kurzvorstellung

Die Große Brennnessel ist eine weit verbreitete Wildpflanze in unserem Klima (mehr dazu unter Herkunft und Verbreitung). Eine Kultivierung ist oft unnötig, da Brennnesseln in großer Menge wild vorkommen. Sie gedeiht auf fast jedem Boden und bevorzugt stickstoffreiche, leichte und feuchte Böden. Die Aussaat erfolgt im Frühjahr, auch eine Vermehrung durch Teilung der Rhizome ist möglich. Eine regelmäßige Mahd verhindert eine ungewollte Ausbreitung, für die Nutzung sollte die Pflanze ausreichend wachsen können.

Die arzneilich verwendeten Pflanzenteile sind vor allem die Blätter sowie das krautige Sprossstück. Die Ernte der Blätter erfolgt vorzugsweise während der Blütezeit (Juni bis September) durch Abstreifen der Blätter von den Stängeln. Die Brennnesseltriebe werden von nicht verholzten Pflanzenteilen (bis max. 50 cm Länge) mithilfe eines Sichels bei jungen, gesunden Pflanzen geerntet. Die Wurzeln werden im Herbst ausgegraben, die Samen bei Reife von August bis September gesammelt. Die Trocknung der gesammelten Pflanzenteile findet in schattigen, gut belüfteten Räumen statt, wobei die Temperatur idealerweise 60°C nicht überschreiten sollte. Ein rascher Trocknungsprozess ist notwendig, um Braunfärbung zu verhindern. Die Pflanzenteile sollten möglichst nicht gewendet werden. Die getrocknete Droge sollte grün sein, neutral riechen und schmeckt leicht bitter. Aufbewahrung erfolgt luftdicht, trocken und kühl.

Ausführliche Beschreibung

Eine sehr bekannte Heilpflanze, die sowohl mit zahlreichen Sagen als auch mit wissenschaftlichen Forschungen verbunden ist.

Botanische Informationen

Die Große Brennnessel ist eine ausdauernde, zweihäusige krautige Pflanze und kann bis zu 2 Meter hoch werden. Der Stängel ist grün, vierkantig, meist stark behaart, kann aber auch kahl sein. Die Blätter sind gegenständig, gestielt, kreuzweise angeordnet, länglich-eiförmig bis lanzettlich, dünn, an der Basis oft herzförmig und bis zu 15 cm lang. Der Blattrand ist gesägt oder gezähnt, die Oberfläche behaart und mit vielen brennenden Haaren auf den Blattadern besetzt. Die Pflanze besitzt zahlreiche Ausläufer und Rhizome, die sich durch gelbliche Umwandlung in Wurzeln entwickeln. Die Blüten sind eingeschlechtlich, unscheinbar, vierzählig, grünlich bis bräunlich und stehen in Blütenständen aus den Blattachseln. Die Blütezeit reicht etwa von Juni bis Oktober.

Herkunft und Verbreitung

Ursprünglich war die Große Brennnessel in ganz Europa verbreitet, von der westlichen Grenze Sibiriens (teilweise bis in den Iran) über Skandinavien bis Südeuropa. Besonders häufig wuchs sie in Flussauen und auf feuchten Böden, vor allem in der Nähe von Gewässern. Heute ist sie praktisch weltweit in vom Menschen beeinflussten Gegenden anzutreffen. Die Pflanze gilt als zuverlässiger Indikator für stickstoffreiche Böden.

Auf der Nordhalbkugel kommt die Große Brennnessel natürlich vor, in Südamerika wurde sie angesiedelt und ist inzwischen als invasive Art verbreitet. Sie wächst in ganz Deutschland, unabhängig von der Höhenlage. Typisch findet man sie an Brachflächen, Gräben, in feuchten Wäldern, entlang von Zäunen, auf Wiesen und an Gebüschen. Häufig ist sie ein unerwünschtes Unkraut in Gärten oder an ländlichen Gebäuden, bevorzugt nährstoffreiche und feuchte Böden und bildet dichte, hohe Bestände.

Verwendung / Dosierung

Die Große Brennnessel war über Jahrhunderte Bestandteil des Volksglaubens, zahlreiche Redensarten und Rituale sind mit ihr verbunden. Im böhmischen Volksbrauch wurde zum Beispiel in der Nacht vor dem 1. Mai Brennnesselbündel gesammelt und im Haus eingestellt, um das Schicksal der Hausherrin vorherzusagen. Generell galt die Brennnessel als mächtige Heilpflanze, die zum Schutz ins Haus gehängt oder in Krankheitsfällen zur rascheren Genesung verwendet wurde.

Kulinarisch werden die Blätter wie Spinat verarbeitet: Sie geben Risotto, Nudelgerichten, Gnocchi, Knödel- oder Suppen eine besondere Note. Auch als Pizza-Topping, in Pasta, Strudel, Füllungen, Omelettes oder als Brotaufstrich und sogar in süßen Speisen (z. B. Kuchen, Waffeln) findet die Brennnessel Verwendung. Für rohe Gerichte werden fein geschnittene, zerdrückte Blätter empfohlen, um die Nesselhaare zu neutralisieren.

Historisch diente die Brennnessel zur Herstellung von Pudding, besonderen Biersorten sowie in der Käseproduktion (z. B. beim Cornish Yarg). Macerierte Blätter finden sich in Pasta, Likören und Kräutertees. Sie zählt zu den Pflanzen, aus denen pflanzliches Protein mit tofu-ähnlicher Qualität gewonnen wird. Die Sprosse wurden im nördlichen Großbritannien auch als Schweinefutter genutzt.

Der hohe Anteil an stabilen Fasern im Stängel macht die Pflanze interessant für die Textilindustrie – sie wurde insbesondere während des Ersten Weltkriegs in Deutschland und Österreich zur Fasergewinnung eingesetzt. Auch zum Färben von Stoffen werden Brennnesseln genutzt. Gärtner setzen sie als stickstoffreiches Düngemittel oder zum Herstellen spezieller Pflanzenjauchen ein. Die Blätter sind außerdem ein geschätzter Rohstoff in der Naturkosmetik.

In der osteuropäischen Volksmedizin gilt die Große Brennnessel als Mittel zur Steigerung der Diurese (Harntreibende Wirkung), zur Blutzucker-Senkung, allgemeiner Entzündungshemmung, als Mittel gegen Blutungen, bei Anämie und zur Förderung der Blutbildung und Blutreinigung, zur Stärkung der Milchbildung beim Stillen, zur Unterstützung des Stoffwechsels, Verdauung und Abwehr von Blähungen, bei Katarrhen der Atemwege, Problemen beim Wasserlassen und Entzündungen der Harnwege sowie zur Anregung der Darmtätigkeit.

Angelsächsische Kräuterbücher empfehlen den Extrakt aus Blättern und Kraut innerlich bei Kopfweh, Nieren- und Blasenentzündungen, erhöhtem Blutzucker (Diabetes), zur Unterstützung der Bauchspeicheldrüse, bei Allergien (z. B. Heuschnupfen bei regelmäßiger Anwendung), bei Magengeschwüren, Erkältungen, Gallenkoliken, Magen- und Darmkrämpfen und Darmgeschwüren. Die Tinktur wird bei Leber-, Milz- (auch Krebs), Gallen- und Lungenleiden empfohlen.

Äußerlich wird die Brennnessel als Wickel zur Beschleunigung der Wundheilung, Geweberegeneration, Schweißhemmung, Reduktion von Schwellungen und schweren Beinen, außerdem bei Ekzemen, Nagelpilz, Schwielen, rheumatischen Gelenkschmerzen, Gichtanfällen und als Tinktur bei Verbrennungen, Nasenbluten, Haarausfall, Schuppen und Psoriasis eingesetzt.

Frische Pflanzenteile werden zur Linderung von Lähmungen, Hexenschuss, Ischias-Schmerzen und Nervenentzündungen an Gliedmaßen verwendet. Der frische Saft wird traditionell in Dosierungen von 40–150 g täglich bei Gelbsucht, Nesselsucht, Hämorrhoiden und Durchfällen getrunken.

Die Große Brennnessel ist für ihre entgiftende, adstringierende, stärkende und reinigende Wirkung bekannt. Sie wird zur Blutdrucksenkung, Reduktion von Atherosklerose, Gicht und als unterstützendes Mittel bei Virusinfektionen, Husten, Diabetes, Verdauungsförderung, Gallensekretion, Leber- und Magenleiden, als Antiseptikum und bei inneren Blutungen, sowie zur Adaptation des Organismus eingesetzt.

Ein traditionell wichtiges Anwendungsgebiet ist der entzündungshemmende Effekt. Die moderne Wissenschaft bestätigt dies durch die Hemmung der NF-kappaB-Kaskade und anderer entzündungsfördernder Faktoren. Inhaltsstoffe aus Blatt, Kraut und Wurzel werden traditionell auch zur Unterstützung bei Prostatabeschwerden empfohlen.

Die Brennnessel ist gut erforscht; ihre Inhaltsstoffe zeigen vielversprechende Resultate bei der Behandlung von Alzheimer, Arthritis, Asthma, Blasenentzündung, Bronchitis, Zahnfleischentzündung, Darmerkrankungen, Nesselsucht, Nieren- und Gallensteinen, Kehlkopfentzündung, Multipler Sklerose, Prostatavergrößerung, Ischias und Sehnenentzündung. In Kosmetikprodukten ist sie ein bewährtes Mittel gegen Haarausfall, fettige Kopfhaut und Schuppen.

Viele Präparate werden als Diuretikum und zur Unterstützung der Prostatagesundheit eingesetzt. In Deutschland gibt es zahlreiche Arzneimittel mit Brennnessel, die besonders bei rheumatischen Beschwerden und Entzündungen der Harnwege und Prostata helfen sollen. In den USA wird sie als Diuretikum, bei Arthritis, Prostatitis, rheumatoider Arthritis, Bluthochdruck und allergischer Rhinitis genutzt.

Inhaltsstoffe der Blätter und des Krauts beeinflussen nachweislich Entzündungskaskaden und Zytokine, die an der Prostaglandinsynthese beteiligt sind. Darüber hinaus verfügen sie über schmerzstillende Effekte und senken das Schmerzempfinden, was vor allem bei Arthritis und ähnlichen Beschwerden hilfreich ist. Die Inhaltsstoffe tragen auch zur Reduktion der Histaminfreisetzung aus Zellen nach Allergen-Kontakt bei. So kann die Brennnessel helfen, allergische Symptome zu lindern.

Flüssigextrakt aus Blättern und Kraut wurde erfolgreich zur Linderung von Muskelschmerzen, Gelenkbeschwerden und Hämorrhoiden eingesetzt. Die adstringierenden Eigenschaften helfen auch, Blutungen kleinerer Hautwunden zu stoppen. Für den vollen Effekt wird eine Einnahmedauer von mindestens 30 Tagen empfohlen.

Rezente Studien belegen eine signifikante Reduktion der Entzündungskaskade, der Prostaglandinproduktion und der T-Zell-Antwort des Immunsystems – sowohl beim Menschen als auch im Tierversuch. Klinische Studien zeigen, dass Brennnesselpräparate die Schmerzsymptomatik bei Osteoarthritis signifikant verbessern können. Tierexperimentelle Studien belegen die Kontrolle über benigne Prostatahyperplasie, vermutlich durch Reduktion des Sexualhormon-bindenden Globulins und eine – wenn auch schwache – Hemmung der 5-α-Reduktase und Aromatase.

Als traditionelles Diuretikum trägt die Brennnessel bekanntermaßen zur Blutdrucksenkung bei. Extrakte können eine durch Thrombin hervorgerufene Thrombozytenaggregation (vermutlich durch Flavonoide) hemmen. Tierstudien beobachten eine Reduktion des Cholesterins (gesamt und LDL), Apolipoprotein B, des Gesamtcholesterin/HDL-Quotienten sowie diuretische und blutdrucksenkende Effekte. Es wurde auch eine verringerte Herzschlagfrequenz, inotrope Effekte und erhöhte Kontraktilität der Gefäße festgestellt.

Zudem enthalten Samen und Blätter Lektine, die eine Rolle im Glukosestoffwechsel spielen. In-vitro-Studien berichten über eine erhöhte Glukoseaufnahme in Langerhans- und Muskelzellen sowie eine verminderte Glukoseaufnahme aus dem Darm. Tierstudien zeigen eine Senkung des Blutzuckerspiegels nach Gabe entsprechender Extrakte; klinische Fallberichte erwähnen einen hypoglykämischen Effekt.

Eine doppelblind randomisierte Studie zeigte eine signifikante Reduktion der allergischen Rhinitis-Symptomatik bei erwachsenen Probanden nach Einnahme von 600 mg lyophilisiertem Brennnesselblatt im Vergleich zu Placebo. Dieser Effekt wird dem immunmodulierenden und entzündungshemmenden Potenzial der Brennnessel zugeschrieben (belegt durch mehrere Studien). In-vitro-Untersuchungen weisen zudem eine antivirale Wirkung gegen HIV, Cytomegalievirus und einige tierische Viren sowie einen antibiotischen Effekt gegen bestimmte Bakterien zeigen. Weiterhin ist die antioxidative Wirkung der Blätter mehrfach belegt, mit potenziellen hepatoprotektiven und anti-apoptotischen Effekten auf Gehirnzellen.

Amtliche Gesundheitsbehörden bestätigen folgende Aussagen: Die Große Brennnessel unterstützt die Optimierung der Atemwegsgesundheit, das Wohlbefinden der Haut, Schutz vor Schuppen, Wundheilung, Gefäßgesundheit, Linderung schwerer Beine, Nierenfunktion, Erfrischung des Körpers, Gelenkgesundheit, die natürliche Abwehrkraft (Immunsystem) und sie ist reich an Eisen und anderen Mineralstoffen.

Für schwangere und stillende Frauen wird die Verwendung aufgrund einiger metabolischer Eigenschaften nicht empfohlen.

Wirkstoffe

Die Inhaltsstoffe und deren Konzentration variieren je nach Pflanzenteil. Die Pflanze ist eine kommerzielle Quelle für Chlorophyll und Proteine, deren Gehalt etwa doppelt so hoch ist wie bei Sojabohnen. Sie enthält viele Mineralstoffe (Calcium, Magnesium, Kalium, Phosphor, Eisen) und diverse Vitamine, darunter Vitamin C, Vitamin K und verschiedene B-Vitamine.
Weitere Inhaltsstoffe sind Beta-Carotin, Glucokinine, Agglutinine, organische Säuren, Kohlenhydrate (vor allem Cellulose), Phytonzide, Acetylcholin, Steroide (Stigmasterol, Kampesterol, Stist-4-en-3-on), Lignane (Tetrahydrofuran-Derivate) und Gerbstoffe. Die Brennhaare enthalten Amine, Histamin, Serotonin und Cholin. Mittels moderner Analysemethoden wie HPLC, GC und Kapillarelektrophorese wurde der Gehalt an Lektinen bestimmt.

Traditionelle Dosierung

Für den Aufguss werden ein gehäufter Teelöffel (2–3 g) getrockneter Blätter mit 0,25 l Wasser überbrüht, kurz ziehen gelassen und morgens nüchtern (etwa 30 Minuten vor dem Frühstück) getrunken. Über den Tag hinweg trinkt man 1–2 weitere Tassen. Für den Geschmack kann mit Kamille oder Minze gemischt werden. Die Tinktur wird aus klein geschnittenem Pflanzenmaterial angesetzt, das in ein Gefäß gefüllt, mit Roggenbrand (30–40 %) übergossen und 14 Tage an einem warmen Ort extrahiert wird.

Brennnesselsirup wird aus 250 g frischem Kraut und 500 ml kaltem Wasser 10 Minuten aufgekocht, dann 24 Stunden ziehen gelassen, abgeseiht und mit 0,5 kg Honig vermischt. Im Kühlschrank gelagert wird ein Löffel täglich zur Stärkung der Abwehr oder bei Prostatabeschwerden eingenommen. Eine Mischung gegen Hämorrhoiden besteht aus 15 Teilen Brennnessel, 10 Teilen Löwenzahn, 30 Teilen Schafgarbe und 30 Teilen Andorn. Ein Teelöffel davon wird mit 250 ml Wasser überbrüht, 10 Minuten ziehen gelassen und 2–3-mal täglich schluckweise getrunken.