Gänsefingerkraut – Potentilla anserina

Gänsefingerkraut – Potentilla anserina

Gebräuchliche Namen: Gänsefingerkraut, Silberkraut, Anserine, Silberwurz, Krampfkraut, Potentilla anserina, Silverweed, goose-wort, potentilla, ansérine, Richette, Nátržník husí (tschechischer Herkunft), Lapčatka gusinaja (russisch), djuma, toma, doma, droma, gasort

Lateinischer Name: Potentilla anserina

Herkunft: Asien, Australien, Europa, Südamerika, Nordamerika

Kurzvorstellung

Gänsefingerkraut wird meist nicht gezielt angebaut, da es ein sehr verbreitetes Wildkraut ist, das praktisch überall zu finden ist. Es vermehrt sich generativ wie auch vegetativ. Die Frucht ist eine Nussfrucht, die einen Sammelfruchtstand von etwa 2 mm Länge und 1,5 mm Breite bildet. Die Form ist eiförmig, die Oberfläche glatt und rotbraun, pro Blüte können bis zu 30 Nüsschen vorkommen. Die Pflanze keimt unregelmäßig und behält ihre Keimfähigkeit oft über mehrere Jahre. Im ersten Jahr entwickelt sich aus dem Keimling eine Blattrosette, im zweiten Jahr entstehen Ausläufer, durch die sich die Pflanze weiter ausbreitet. Auch Wurzelstockteile oder Wurzelabschnitte können zur Vermehrung beitragen.

Die Bestäubung erfolgt durch eigenen oder fremden Pollen mittels Insekten, die auf der Suche nach Nektar sind. Während sie zu den Narben des Fruchtknotens gelangen, bestreichen sie die Staubblätter und werden dabei mit Pollen bedeckt. Bei Regen schließen sich die Blüten, und die Narben gelangen zu den Staubbeuteln – so kommt es oft zur Selbstbestäubung.

Gänsefingerkraut wird auch heute noch gezielt wegen der essbaren Wurzeln geerntet. Die wilden Arten sind hierfür jedoch meist ungeeignet, da die Wurzeln klein und schwierig zu reinigen sind. Unkontrolliert kann sich das Kraut zum Problemunkraut in Beeten entwickeln.

Reisende, die Tibet besuchten, berichteten bereits im späten 19. Jahrhundert, dass die Bevölkerung in Notzeiten die frischen Wurzeln von Gänsefingerkraut roh aß, wenn keine anderen Gemüse verfügbar waren. Bei tibetischen Neujahrsfesten wurde Gänsefingerkraut gekocht, häufig mit Butter und Zucker, serviert.

Ausführliche Beschreibung

Traditionell bewährtes europäisches Heilkraut für die Unterstützung der Frauengesundheit.

Botanische Informationen

Gänsefingerkraut ist eine ausdauernde, krautige Pflanze mit kräftigem, nicht tief, jedoch oft knollig verdicktem und verzweigtem Rhizom, aus dem lockere Blattrosetten entspringen. Aus kleinen Knoten wachsen kriechende, oberirdische Ausläufer (Stolone), die circa einen Meter lang werden können. Die gefiederten, unpaarigen Blätter werden bis zu 20 cm lang, bestehen aus 7–12 (manchmal bis 21) oval-eiförmigen, gezähnten Teilblättchen mit durchscheinenden braunen Nebenblättchen. Die Blattunterseite ist grau-weiß und behaart, die Oberseite graufilzig. Aus den Achseln der letzten Blattpaare kann ein neuer Stängelabschnitt wachsen – so entsteht ein sympodiales Wachstum.

Die Blüten sind 1,5–2,5 cm groß und sitzen einzeln an langen Stielen, meist doppelt so lang wie der Blütendurchmesser. Sie besitzen eine schalenförmige Krone aus 5 behaarten Kelchblättern, überragt von längeren, abgerundeten, gelben Kronblättern. Im Inneren verteilen sich 20 Staubblätter in 3 Kreisen gleichmäßig; in der Mitte liegen zahlreiche Fruchtknoten mit sitzenden Griffeln. Die Blütezeit erstreckt sich von Mai bis in den Herbst.

Gänsefingerkraut gedeiht auf sandigen, kiesigen oder steinigen Böden und kann sich durch kräftige, fruchtbare Ausläufer weit ausbreiten. Es ist in Mitteleuropa weit verbreitet – von Flachlandlagen bis ins Vorgebirge und, in Einzelfällen, sogar bis 2.500 m Höhe in den Alpen. Außerhalb Europas ist es von Südost-Asien über Zentralasien und China bis nach Nordamerika (USA, Kanada, Grönland), Südamerika, Australien und Neuseeland verbreitet.

Das Kraut bevorzugt feuchte Standorte, wächst aber auch auf trockenem Rasen, Weiden, Brachflächen, Gräben, Wegen, auf Schuttplätzen sowie in Gärten. Beim gezielten Anbau ist nährstoffreicher Boden von Vorteil. Gänsefingerkraut toleriert auch leichte Bodensalze.

Verwendung / Dosierung

Die Arzneidroge ist das blühende Kraut von Gänsefingerkraut (Herba anserinae), gelegentlich wird auch die Wurzel verwendet. Das Kraut wird bevorzugt zwischen Mai und Juni durch Abschneiden der ganzen, sauberen und unbeschädigten Pflanze gesammelt und luftgetrocknet (nicht über 40°C). Richtig getrocknete Arznei ist geruchlos und besitzt einen herben Geschmack; sie bleibt bei sachgemäßer Lagerung mehrere Jahre wirksam.

Die Wurzel wird meist in der Küche verwendet: morgens geerntet, gereinigt, einige Stunden kühl gelagert, dann 3–4 Minuten in heißem Wasser blanchiert und weiterverarbeitet. Das frische oder getrocknete Kraut ergänzt Salate oder wird volksmagisch als schützender Talisman genutzt – etwa gegen böse Mächte oder für Redegewandtheit und Wohlstand.

Historisch war Gänsefingerkraut ein verbreitetes Acker- und Gartenunkraut, das sich durch seinen starken Ausbreitungsdrang als problematisch erwies. Heute macht es nur noch in feuchten, unbearbeiteten Flächen Schwierigkeiten.

Seit alter Zeit sammelte man die blühenden Sprosse und den Wurzelstock insbesondere wegen der krampflösenden Wirkung auf die glatte Muskulatur (z. B. Darm, Urogenitaltrakt). Ziel war ebenfalls die Verminderung von übermäßiger Schweißbildung (z. B. durch Einlage in Schuhen) sowie der Einsatz als Antiepileptikum (gegen das „Veitstanz“-Syndrom). In der Volksmedizin wurde das Kraut äußerlich für Bäder und Kompressen bei entzündeten, nässenden und schlecht heilenden Wunden empfohlen. Auch Mundspülungen mit Absud wurden bei Zahnentzündungen, Parodontose und Zahnschmerzen geschätzt.

Moderne Kräuterexperten loben das Kraut als hilfreich bei Krampfzuständen, blutigen Durchfällen, Koliken, Gallenbeschwerden, Magengeschwüren, Muskelkrämpfen sowie bei Menstruationsbeschwerden, Durchblutungsstörungen der Beine und leichten Angina-pectoris-Symptomen. Gänsefingerkraut gilt als krampflösend, entzündungshemmend und adstringierend, mit potenziellem hepatoprotektiven Effekt und der Fähigkeit, die Bildung von Gallensäuren zu fördern. In der Homöopathie wird das verdünnte Mittel bei Menstruations- und Krampfproblemen eingesetzt.

Auszüge von Gänsefingerkraut werden auch heute noch volksmedizinisch bei akuten Anfällen durch Gallen- oder Nierensteine und gynäkologischen Beschwerden verwendet. Ein Tee findet breites Anwendungsspektrum bei Bronchitis, zur Unterstützung der Herzfunktion, bei zu starker Magensäureproduktion, zur Förderung der Diurese und zur Blutstillung. Traditionell eingesetzt bei Funktionsstörungen des Magen-Darmtraktes, gynäkologischen Problemen und Krämpfen. Das Kraut kann praktisch unbegrenzt angewendet werden, ist gut verträglich; aufgrund fehlender Daten wird es Vorsichtshalber nicht für Schwangere oder Stillende empfohlen.

Die moderne Wissenschaft hat die Inhaltsstoffe vielfach untersucht, bestätigt ist bisher vor allem der positive Effekt auf das Urogenitalsystem erwachsener Frauen und die Linderung von Menstruationsbeschwerden in unkomplizierten Fällen.

Inhaltsstoffe

Das Kraut von Gänsefingerkraut enthält u. a. etwa 2 % catechinhaltige Gerbstoffe, Flavonoide, Bitterstoffe, Glykoside, Harz, Fettsäuren, organische Säuren, Schleimstoffe, ätherische Öle (wie Tormentol), Cholin, Vitamin C, Spurenelemente (z. B. Lithium) und weitere bislang nicht eindeutig bestimmte Substanzen.

Traditionelle Dosierung

Ein Abkochung bereitet man aus 1–2 Teelöffeln des Krauts auf 1 Tasse Wasser, 3 Minuten abkochen, abseihen und 3-mal täglich trinken. Ein Aufguss wird durch Übergießen eines Esslöffels (bzw. 2 g) Kraut mit 150 ml kochendem Wasser hergestellt, 10 Minuten ziehen lassen, abseihen und 2–4-mal täglich vor den Mahlzeiten trinken. Ein milchiger Auszug entsteht durch Köcheln von 5 g Kraut in 250 ml Milch, 5 Minuten ziehen lassen, abseihen und 3-mal täglich 30 Minuten vor dem Essen trinken.

Balsam: 70 g frisches Kraut mit 150 g (ca. 180 ml) 40%igem Alkohol mischen, 3 Tage ziehen lassen, danach mit ca. 200 g Honig vermengen, nochmals einen Tag stehen lassen. Die Mischung durch ein Sieb geben und 4-mal täglich äußerlich anwenden.

Gegen Krämpfe kann Gänsefingerkraut mit Schafgarbe, Kamille und Melisse gemischt werden (1:1:1); 2–3 g Mischung, mit 200 ml kochendem Wasser aufgießen, 15 Minuten ziehen lassen, bis zu 3-mal täglich trinken, nach Belieben mit Honig süßen. Bei Verdauungsbeschwerden wird Gänsefingerkraut mit Schafgarbe, Pfefferminze oder Bitterklee kombiniert. Gegen Blähungen empfiehlt sich eine Mischung mit Anis, Kümmel, Meisterwurz, Kalmus, Fenchel, Schwarzkümmel, Engelwurz und natürlich Gänsefingerkraut. Für choleretische Effekte kann es mit Löwenzahn, Andorn, Faulbaumrinde oder Pfefferminze kombiniert werden.