Echte Kamille – Matricaria chamomilla

Echte Kamille – Matricaria chamomilla

Gebräuchliche Namen: Echte Kamille, Kamille, Matricaria chamomilla, Matricaria recutita, Kamillenblüte, Feldkamille, Deutsche Kamille, Kamillentee, Wildkamille, Mayweed, Scented Mayweed, Italian Camomilla, Chamomile, Babuna, Baboonig, Kamilka, Marunka, Roman Chamomile, Anthemis nobilis, Harmanite, Kamillenblümchen

Lateinischer Name: Matricaria chamomilla

Herkunft: Afrika, Asien, Australien, Europa, Südamerika, Nordamerika

Kurzvorstellung

Die Echte Kamille ist anpassungsfähig an verschiedene Bodentypen, gedeiht jedoch am besten in nährstoffreichem, sandig-lehmigem Substrat mit einem optimalen pH-Wert von 7,0–7,5 an einem sonnigen Standort bei Temperaturen von 2 bis 20 °C. Staunässe, überdüngte oder extrem schwere Böden verträgt sie schlecht. Die Aussaat erfolgt von September bis April im Haus oder ab einer Höhe von 30 cm im Freiland, wobei ein Abstand zwischen den Reihen von 15–30 cm empfohlen wird. Kamille benötigt keine speziellen Düngemittel, eine ausreichende Versorgung mit Phosphor, Kalium und Stickstoff ist ausreichend. Die Vermehrung erfolgt direkt durch Samen oder durch Umpflanzen der Jungpflanzen. Die Keimung wird durch Feuchtigkeit und Temperaturen zwischen 10 und 20 °C begünstigt.

Die Ernte von Blüten oder Kraut kann zwischen Mai und September erfolgen. Weltweit zählt Kamille zu den fünf meistverkauften Heilpflanzen – sowohl als Rohstoff als auch in Form von Extrakten –, insbesondere für die Kosmetik- und Pharmaindustrie. Laut USDA wurden 1989 mit Kamillenöl etwa 5,4 Tonnen jährlich gehandelt, das entspricht etwa 1.000 Tonnen Kamillenblüten (inkl. Indien).

Ausführliche Beschreibung

Alte Volksweisheiten wie „Vor der Kamille ziehe den Hut, vor dem Holunder knie dich nieder“ oder „Wo Kamille und Schlangenknöterich wachsen, gibt es kein Leid und kein Sterben“ zeugen von der Wertschätzung für die Echte Kamille.

Botanische Informationen

Echte Kamille ist eine einjährige Pflanze und erreicht Höhen von bis zu 80 cm. Ihre feinen Wurzeln durchdringen leicht die Bodenoberfläche. Der Stängel ist glatt, grün, aufrecht und verzweigt. Die länglichen, schmalen und gezähnt-lappigen Blätter sind zwei- bis dreifach fiederteilig. Ab Frühsommer erscheinen die Blüten mit einem Durchmesser von 1–3 cm auf einem rispigen Blütenstand; die weißen Zungenblüten weisen fünf Zähne auf, die gelben Röhrenblüten sind 2–3 cm lang. Die Kamille duftet ausgeprägt und aromatisch. Die Frucht ist eine gelblich-braune Achäne.

Herkunft und Verbreitung

Echte Kamille ist nahezu in ganz Europa sowie in den gemäßigten Zonen Asiens heimisch. Kultiviert wird sie gezielt in Deutschland, Ungarn, der Slowakei, Tschechien, Frankreich, Russland, in den Ländern des ehemaligen Jugoslawien sowie in Brasilien – der größte Exportmarkt ist Deutschland, wo sie hauptsächlich zur Gewinnung von Inhaltsstoffen destilliert wird. Über die Kolonialzeit wurde sie nach Indien (Punjab, Maharashtra, Jammu und Kashmir), Nord- und Südamerika, nach Neuseeland und Australien gebracht. Kamille wächst bevorzugt an Wegen, Straßenrändern, auf Feldern und Wiesen.

Verwendung / Dosierung

Die Echte Kamille wird nicht nur in der traditionellen Heilkunde, sondern auch in der Kosmetik breit genutzt. Viele kommerzielle Produkte enthalten Extrakte dieser Pflanze. Über Generationen gilt Kamille als wahres „Allheilmittel“ – gerade für Kinder und empfindliche Patienten. Der lateinische Name reflektiert ihre Rolle als Frauen- und Mutterkraut („mater“, Mutter). Bereits im alten Ägypten wurde sie als Pflanze des Sonnengottes verehrt, und in den Schriften des Schweizer Pfarrers J. Kunzle wird ihr vielfach Bedeutung beigemessen.

Konzentrationen des Inhaltsstoffs Bisabolol sind für ihre antimikrobielle und antiseptische Wirkung bekannt und wissenschaftlich untersucht. Polysaccharide der Kamille haben nachweislich antibakterielle, immunstimulierende und teilweise antivirale Effekte. Besonders erwähnenswert ist die Förderung der Wundheilung und Regeneration der Schleimhäute (vor allem aufgrund von Apigenin), wie eine klinische Studie zur Anwendung von Kamillen-Mundwasser zeigt.

In vitro- und in vivo-Studien (Review 2006) bestätigen verschiedene positive Effekte: Spasmolytisch, angstlösend, entzündungshemmend und antihyperlipidämisch. In Tierstudien wurde eine blutzuckersenkende Wirkung nach Einnahme von Kamillenextrakt festgestellt; ebenso ein positiver Einfluss auf den Cholesterinspiegel und das Lipidprofil.

Weitere Studien belegen Wirksamkeit bei Leishmaniose sowie antiseptische, spasmolytische, antiulzeröse Eigenschaften und einen Nutzen bei der Heilung des Magen-Darm-Trakts, Wundepithelisierung und Gewebegranulation. Kamille unterstützt die Regeneration der Hautbarriere und fördert Komfort und Heilung bei kleinen Verletzungen. Benzoesäurederivate weisen fiebersenkende Eigenschaften auf; ätherische Sesquiterpene und Azulene wirken entzündungshemmend und antiallergisch. In Studien wurde eine Abnahme der TNF-alfa-Entzündungsmarker und eine Verbesserung der Gelenksymptomatik beschrieben.

Kamillenöl und -extrakte fördern die Linderung bei Kniearthroseschmerzen und werden erfolgreich gegen Beschwerden des prämenstruellen Syndroms eingesetzt (analgetischer Effekt). Tierstudien belegen starke antioxidative und durchfallhemmende Wirkungen, und klinische Untersuchungen bestätigen die Effektivität von Kamille in Kombination mit Myrrhe und Aktivkohle bei akutem Durchfall.

Die ätherischen Terpene fördern die Gallenproduktion und unterstützen die Verdauung. Bisabolol hilft erwiesenermaßen bei der Heilung von Magengeschwüren. Kamille selbst regt Verdauung und Appetit an; sie entspannt die glatte Muskulatur des Magen-Darm-Trakts und hilft bei der Verarbeitung von Fettsäuren.

Weiterhin zeigte eine klinische Studie mit Wöchnerinnen, dass Kamillentee helfen kann, Angstzustände, Schlafstörungen, Langeweile und depressive Verstimmungen nach der Geburt zu reduzieren. Eine Fülle klinischer Daten spricht für den Einsatz der Kamille bei Unruhe, zur Förderung der Entspannung und zur Unterstützung des seelischen Gleichgewichts. Kamillenbäder bringen Beruhigung für das gereizte Nervensystem und helfen bei Erschöpfung.

Die Flavonoide Apigenin und Luteolin zeigen in mehreren Versuchen einen antiangiogenen Effekt; mögliche Anwendungen ergeben sich daher für die begleitende pharmakologische Behandlung von Tumoren und Krebserkrankungen. Auch antikarzinogene Eigenschaften konnten in Tierstudien durch Hemmung der Gefäßneubildung im Tumorgewebe beobachtet werden.

Umwelt- und In-vivo-Tests belegen den Nutzen der Kamille bei der Reduktion von oxidativem Stress, darunter Peroxide, Schwermetalle und weitere Schadstoffe – ein Hinweis auf den antioxidativen und damit entzündungshemmenden sowie immunmodulierenden Effekt. Die Stimulierung des Immunsystems trägt so zur optimalen Anpassung des Körpers gegenüber schädlichen inneren und äußeren Faktoren bei.

Das Inhalieren von Kamillendampf unterstützt die Befreiung der Atemwege, lindert Schnupfen und grippale Infekte, fördert die Gesundheit und Funktion der Atemwege auch bei Entzündungen und erleichtert das Abhusten.

Volksmedizin

Traditionell wird Kamille in Form von Tee oder Aufguss als Antiphlogistikum (gegen Entzündung), Karminativum (gegen Blähungen), Spasmolytikum (krampflösend), Analgetikum (schmerzlindernd) und Diaforetikum (schweißtreibend) verwendet. Sie wird empfohlen bei Krämpfen im Magen-Darm-Trakt, Magenschmerzen und beim Reizdarmsyndrom.

Äußerlich dient sie zur Wundheilung, bei Entzündungen der Mundschleimhaut, des Auges, der Haut sowie im Bereich der Urogenitalschleimhaut. Innerlich wird sie bei Entzündungen des Gastrointestinaltrakts, zur Behandlung von Magengeschwüren, Asthma bronchiale und Allergien verwendet. In der traditionellen Medizin kommen Kamille-Inhalationen bei Schnupfen, Erkältung und Infekten der oberen Atemwege – auch für Säuglinge – zum Einsatz. Zudem wird sie manchmal als mildes Abführmittel mit entzündungshemmender Wirkung genutzt.

Hinweise

Hohe Dosen von Kamille können in seltenen Fällen Übelkeit und Erbrechen verursachen. Hautreaktionen sind sehr selten (ein Einzelfall bekannt).

Wirkstoffe

Zu den Inhaltsstoffen der Echten Kamille zählen Sesquiterpene (Azulen, Apigenin, Bisabolen, Bisabolol, Borneol, Caryophyllen, Farnesen, Farnesol, Geraniol, Germacren, Guajazulen, Chamazulen, Chamomillol, Caryophyllen, Kaempferol, Nerolidol, Thujon, Matrikarin...), aromatische Säuren (Salicyl-, Kaffee-, Dihydroxybenzoesäure, Hydroxyzimtsäure), Cumarine (Cumarin, Cumarsäure, Herniarin, Umbelliferon), Steroide (Sitosterol, Stigmasterol), Flavonoide (Patuletin, Quercetin, Rutin, Quercitrin), Flavanone (Naringenin u. a.), Zucker (Glukose, Fruktose...), ätherische Öle (1–3 %, überwiegend Monoterpene und Polyine), Polyacetylene, Glycoside (Derivate der 4-Methoxyzimtsäure) sowie die Vitamine C, B1 und B2.

Insgesamt sind bislang über 120 sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe identifiziert – darunter 28 Terpenoide, 36 Flavonoide und 52 weitere pharmakologisch aktive Substanzen.

Traditionelle Dosierung

Die Echte Kamille wird am häufigsten als Tee angewendet – hierzu 1–2 Teelöffel (5–10 g) in 250 ml maximal 95 °C heißem Wasser abgedeckt 10–15 Minuten ziehen lassen. Je nach Indikation 1–3-mal täglich trinken (am besten nüchtern, mindestens 30 Minuten vor dem Essen) über einige Tage bis maximal 3 Monate.

Für Waschungen oder als Badezusatz werden etwa 2 Handvoll Kamille mit heißem Wasser überbrüht und kurz ziehen gelassen. Dieselbe Menge lässt sich alternativ in warmer Milch anwenden, um warme Umschläge herzustellen. Kamillendampf entsteht durch Übergießen mit kochendem Wasser; Dämpfe werden unter einem Handtuch eingeatmet. Kamillensalbe bereitet man aus 250 g Schweineschmalz mit 2 Handvoll Kamille, erwärmt und nach dem Erkalten durch ein Leinentuch gepresst.